#52in23 Woche 15 der Schreibchallenge im Jahr 2023. Aufmerksamen Leserinnen, die bis 52 zählen können, ist nicht entgangen, dass meine Schreibchallenge einem löchrigen Käse ähnelt. Sei's drum, die Löcher werden gestopft. Dann, wenn die Zeit gekommen ist. So wie jetzt die Zeit gekommen ist, die Geschichte vom Mädchen mit dem Strohhut zu erzählen.
15. Das Mädchen mit dem Strohhut
Das Mädchen stand am Rand der staubigen Straße. Sehnsüchtig folgte ihr Blick unserem Auto. Was würde ich darum geben, hätten wir damals angehalten, um mit ihr zu sprechen.
Ein Mädchen mit Strohhut, wie langweilig, magst du denken, weil du aus einer Welt kommst, in der Strohhüte Teil des Alltags, Teil der Tradition, Teil der Erinnerung in der Kunst sind. Das Mädchen stand an der Straße in einer Region, in der Frauen und Mädchen Tücher auf dem Kopf tragen. Tücher als Schutz vor dem Staub, vor der Sonne, vor den Blicken der Fremden. Mut zum Hut. Woher nahm das Mädchen ihn, den Hut, den Mut, und was ist daraus geworden? Ihre Träume, die ich nicht kenne, verfolgen mich nach Jahrzehnten. Was ist aus ihr geworden?
Hätten wir damals angehalten, wäre nichts anders gewesen. Ich gebe mich keinen Illusionen hin. Ich wünsche dir, Mädchen mit den Träumen, dass die Träume dich leiten durften zu einem Leben, das Grenzen zu überschreiten vermochte. Grenzen gibt es so viele, in unseren Köpfen, unseren Herzen, unseren Familien. Wenn du dir all die Jahre deine Neugier auf das, was dahinter liegt, bewahren konntest, bleibt die Hoffnung lebendig. Meine Hoffnung, dass wir ein selbstbestimmtes Leben führen dürfen. Ich finde dich wieder, Mädchen mit dem Strohhut an der staubigen Straße. Dann reiche ich dir die Hand und begleite dich ein Stück deines Weges.
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